Die räumliche Struktur und Nutzungsgeschichte des Tublá da Nives selbst lieferte den Input, sich mit dem Thema “Behausung“ und seiner Bedeutung zwischen Identifikation und Schicksal näher zu befassen. Das Tublá da Nives ist durch geschickten Umbau zwar seiner ursprünglichen Funktion, der eines traditionellen Stadels, enthoben und zu einem beeindruckenden modernen Kunst- und Kulturzentrum geworden, doch hat es durch die Verwandlung seine Seele nicht verloren.

Der archaische Titel der Ausstellung “Behausung“, der die schutzgebende private Tabuzone in seiner ursprünglichsten Form, als umhüllenden Raum, beschreibt, soll einen wertfreien Zugang erlauben und neue Interpretationspfade eröffnen. Künstlerinnen und Künstler haben seit jeher den Raum als materielle und emotionale Begrenzung in den Fokus genommen und neben utopischen Gebilden erweiterte Skulpturen geschaffen und das Haus als “dritte Haut“ erforscht. Aufgrund der mit 320 m2 auf zwei Ebenen umbauten Endlichkeit des Ausstellungsortes in Wolkenstein, haben wir uns in dieser Schau darauf konzentriert, die aktuellen Reaktionen der jüngeren Künstlergeneration zu dem Thema Wohnmodelle und Lebensgewohnheiten im Zuge der globalen ökonomischen Veränderungen in den Blick zu rücken.

Während einerseits die Meldung beeindruckt, dass es eine Chinesische Firma schafft, in nur 24 Stunden mit einem 3D Drucker aus Bauabfällen um knapp 4.000 Euro bewohnbare Häuser zu drucken, schockieren andererseits die jüngsten Zahlen – Tendenz steigend – der 100 Millionen Obdachlosen auf

unserem Planeten (statistisch gesehen jeder 60. Erdenbewohner). Diese kontroverse Entwicklung rund um das Grundbedürfnis der menschlichen Existenz, ein “Dach über dem Kopf“ zu haben, ist Drehpunkt dieser Ausstellung, aus dem heraus sich Fragen zur Existenzsicherung, kultureller Identität und dem Umgang mit emotionaler Verortung stellen: Braucht es in Zeiten von World Wide Web, Homesharing und Couchsurfing noch einen fixen Wohnort oder sind wir zum postmodernen Nomadentum mutiert, das sich die ganze Welt zum Dorf macht? Welche Wichtigkeit hat die intime Abgrenzung nach außen, die Sicherheit der eigenen vier Wände, in einer Grenzen abbauenden Welt der Zwangsmobilität? Hat die Geborgenheit des Nestbaues, das Bedürfnis nach Ordnung in einem eigens gestalteten Mikrosystem und seiner näheren Umgebung in Form eines “Daheims“ noch Gültigkeit?

Fragen, die elf Künstlerinnen und Künstler durch ihre Interventionen – von Aquarellen moderner Bauruinen über Modelle bis hin zur Konzeption utopischer Lebensformate – auf unterschiedliche Weise aufbrechen, vertiefen oder neu dimensionieren.

Marion Oberhofer